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(Interview mit Sven Müller)
Kontingentspieler-Diskussion: Memmingen leitet Selbstverpflichtung in die Wege
01.09.2016 - 18:42 - Vereine - ECDC Memmingen - veröffentlicht von Norman Flaake - Verfasser: Michael Franz
 

In den letzten Tagen drohte ein erneutes Beben das Eishockey in Bayern zu erschüttern. Der Bayerische Eishockeyverband (BEV) musste seine geltenden Durchführungsbestimmungen ändern, was nun zur Folge hat, dass unbegrenzt EU-Ausländer in den Teams spielberechtigt sind. Doch wie kam es dazu? Der Bezirksligist EV Berchtesgaden wollte neben einem Österreicher noch einen slowakischen Spieler im Team einsetzen. Der Club reichte dazu einen Antrag auf Prüfung eines Einsatzes von EU-Gemeinschaftsangehörigen und ihnen nach EU-Recht gleichgestellten Personen beim Deutschen Eishockeybund (DEB) ein. Das Schiedsgericht stimmte diesem Antrag zu und zwang den BEV dazu, die Bestimmungen dementsprechend anzupassen. Dieser teilte den Vereinen dann schriftlich die Aufhebung einer Kontingentspieler-Reglementierung mit.
Im Anschluss regte sich Widerstand bei den Vereinen der Bayernliga. Sven Müller, der sportliche Leiter der GEFRO-Indians, hat nun in Eigeninitiative eine freiwillige Vereinbarung aller Vereine angestoßen.
Wir haben uns mit ihm darüber unterhalten:

memmingen-indians.de: Hallo Sven, kaum ein Monat ohne Aufregung im deutschen Eishockey. Was waren deine ersten Reaktionen auf das Urteil des DEB-Schiedsgerichts?
Sven Müller: Nachdem ich die Mitteilung erhalten hatte und diese mit großer Verwunderung und Schrecken zu Kenntnis nahm, nahm ich sofort Kontakt mit Herrn Weitl, dem Geschäftsführer des BEV auf. In einem interessanten Gespräch erklärte er mir die Hintergründe und eben auch, dass dem BEV hier völlig die Hände gebunden sind.

Deshalb machte ich mir selbst Gedanken, wie dieses Thema in Griff zu bekommen ist.

 

memmingen-indians.de: Grundsätzlich wird hier doch nur geltendes EU-Recht vollzogen. Warum wird dies nicht einfach akzeptiert?

Sven Müller: Ja, tatsächlich handelt es sich um geltendes EU-Recht und die Entscheidung ist daher auch absolut nachzuvollziehen. Die Folgen für das gesamte deutsche Eishockey wären aber meiner Meinung nach sehr schlimm. Die Vereine könnten nun theoretisch mit 20 Ausländern in die Saison starten. Das ist zwar etwas übertrieben aber vier, fünf Ausländer sind durchaus denkbar. Für diese ausländischen Spieler bleiben unsere deutschen Nachwuchsspieler dann auf der Strecke. Es ist kein Geheimnis, dass in anderen Ländern bessere Voraussetzungen gegeben sind, um eine erfolgreichere Nachwuchsarbeit zu betreiben. In Deutschland verschlingt die Arbeit mit dem Nachwuchs sehr viel Geld, welches sich manche Vereine dann eventuell lieber sparen und dafür einen weiteren Ausländer verpflichten wollen.

memmingen-indians.de: Würde dies dann auch den Übergang in den Seniorenbereich für die meisten Jugendlichen zusätzlich erschweren?

Sven Müller: Die Bayernliga hat sich die letzten Jahre qualitativ schon enorm gesteigert und hat den reinen Amateurbereich eigentlich schon verlassen. Für viele junge Spieler ist es also heute schon schwer im Senioreneishockey Fuß zu fassen. Diese Entwicklung würde sich durch den unbegrenzten Einsatz von EU-Ausländern nochmal drastisch verschärfen, weshalb es für mich auch ein Muss war hier zu handeln.

 

memmingen-indians.de: Wie sieht das konkret aus? Im Gespräch ist ja eine Art Selbstverpflichtung.

Sven Müller: Genau, nachdem der erste Schock überstanden war, habe ich mich an den PC gesetzt und eine Selbstverpflichtungserklärung mitsamt einem Schreiben an alle Vereine der BEL versandt. In dieser Erklärung stimmen die Clubs zu, nur einen Ausländer in den Wettkampfspielen einzusetzen. Ab der Verzahnungsrunde wird die Anzahl auf zwei erhöht, wie bereits vorher schon vereinbart, um Chancengleichheit mit den Oberligisten zu schaffen.

Bereits nach wenigen Tagen hatten alle Vereine ihre mündliche Zusage zu dieser Selbstverpflichtung abgegeben. Momentan bin ich dabei, die Unterschriften zu sammeln. Es ist noch nicht abschließend spruchreif, aber es sieht sehr gut aus, dass alle Teams mit nur einem Kontingentspieler in die Saison gehen werden.

 

memmingen-indians.de: Das zeigt ja erneut den großen Zusammenhalt, der unter den Vereinen herrschen muss.
Sven Müller: Absolut, ich habe mich über die schnelle und unkomplizierte Zusammenarbeit mit den anderen Vereinen sehr gefreut. Schon bei der „Rettung“ der Oberliga zeigte sich welchen freundschaftlichen und professionellen Umgang die Vereinsvertreter miteinander pflegen. Zwei schwierige Themen wurden im gemeinsamen Konsens schnell und unkompliziert, im Sinne des gesamten deutschen Eishockeys gelöst. Darauf kann die BEL sehr stolz sein.

 

memmingen-indians.de: Gilt diese Regelung dann auch für die Landes- und Bezirksligen? Unser Kooperationspartner HC Maustadt ist dort ja aktiv.

Sven Müller: Nein, die Selbstverpflichtung ist eine Art „Gentlemen’s Agreement“. Also ein Ehrenkodex, den sich die Vereine der bayerischen Eishockeyliga selbst auferlegt haben. Dies findet außerhalb der Durchführungsbestimmungen und unabhängig vom Verband statt. Deshalb gilt dies auch nicht in anderen Ligen. Wenn alle Vereine unterschrieben haben, werden wir dies in einer gemeinsamen Presseerklärung bekanntgeben und vielleicht ziehen die unteren Ligen mit. Die Bayernliga geht hier praktisch mit gutem Beispiel, als eine Art Vorbild, voran.

 
 
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